Ein lauer Wind weht durch die Straßen und die Sonne strahlt am blauen Himmel – und die Motorradbatterie hängt noch am Ladegerät im Winterquartier. In diesem Jahr beginnt die Motorradsaison später als je zuvor, aber lieber spät als nie.
Die Batterie ist schnell drin, dazu noch etwas Luft in die Reifen und ab geht es gen Süden, über die Autobahn bis zur Ausfahrt Schäftlarn. Von dort aus setze ich die Reise fort, vorbei am idyllischen Oberbayern, durch reichlich neu geschaffene 30er Zonen und Grillduft über den Gärten. Das Ziel ist Wolfratshausen. Von Schäftlarn führt eine Straße mit einigen Kehren hinunter in die Stadt.
Von Wolfratshausen fahre ich weiter nach Ascholding, und über Mosham und Dettenhausen zurück in Richtung München. Hinter Deiningen geht es links ab über einige Kehren und erst über Isakanal und dann Isar. Mit mir sind hunderte Fahrradfahrer auf der Strecke unterwegs.
Jetzt bin ich ja selbst begeisterter Rennradfahrer. Und ertappe mich dabei, wie ich mich fast unwohl fühle, mit dem Motorrad mal an den Rennrad-Kolonnen vorbei zu drängeln, und mich dann wieder ärgere, wenn sie an der nächsten Baustellenampel wieder vor mir stehen.
Auf unserem weiteren Weg passieren wir das beeindruckende Kloster Schäftlarn. Nur mit Mühe schaffe ich es, nicht im Kloster-Biergarten anzuhalten
Der Saisonstart 2023 mag zwar später als gewohnt gekommen sein, doch die ersten Stunden auf dem Motorrad zeigen, dass es die Sehnsucht nach der Freiheit auf zwei Rädern noch gibt.
Ein paar Touren sind bereits geplant. Vielleicht ergibt sich dazwischen noch mehr. Ich werde berichten.
Die Tour ist schon ein paar Tage her, das werdet Ihr merken, wenn auf den Bildern plötzlich Schnee zu sehen ist. Aber mein Leben ist derzeit etwas kompliziert, die Tage voll, sei es im Job oder beim Home-Schooling und das Motorrad sieht auch mehr Schrauben- als Zündschlüssel. Und so etwas verspätet, aber nicht weniger schön, die Erinnerung an eine tolle Tour Ende des Wonnemonats Mai in den äußersten Südosten der Bundesrepublik.
Nach einer Stunde Autobahn beginnt die Tour in Bernau am Chiemsee. Hinter Marquartstein biege ich ab in Richtung Vogllug und erwische die ersten paar Kurven des Tages. Nach Unterwössen wird die Strecke dann interessanter. Zwar als Bundesstrasse B305 eher großspurig benannt, aber mit schön weit gezogenen Kurven.
Einzig die permanente Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h ist für diese Straße etwas anstrengend. In Bad Reichenhall biege ich gleich wieder ab in Richtung Alpenstraße. Ein Stück der B21 am Saalachsee entlang folgend komme ich in Fronau zurück auf die B305. Hier werden die Berge schon massiver und die Aussichten spektakulärer. Ach ja, und der Himmel dunkler. Wird schon halten, oder?
Kurz vor dem Taubensee biege ich auf eine Nebenstraße in Richtung Hintersee ab. Jetzt kommt zur Landschaft noch kleine Straße.
Ich fahre noch ein paar Kilometer weiter und biege kurz ab in Richtung Königssee. Touristenziel Nummer eins in der Region empfängt mich ein riesengroßer Parkplatz, kurze Hosen und Tennissocken in Sandalen. Und kein Zugang zum See. Außer vielleicht nach bezahlter Parkgebühr (auch für Motorräder) zu Fuß…
Und selbst nach Fußmarsch zeigt sich: nicht viel. Denn außer der Schiffsanlegestelle ist vom See nichts zu sehen. Schifffahrt buchen, raus fahren und so weiter. Dafür habe ich keine Zeit. Ich will Motorrad fahren.
Ich fahre Richtung Berchtesgaden, biege aber schon am Ortseingang rechts ab (“Vorderbrandstraße”). Was als schnöde Tempo-30-Zone beginnt schraubt sich immer höher in die Berchtesgadener Berglandschaft.
Die Häuser werden weniger, die Landschaft mehr. Nur Tempo 30 bleibt. Auf Strecken, auf denen das nicht mal annähernd auszuhalten ist.
Bei der Abfahrt gibt es immer wieder Blicke hinein in den Nationalpark Berchtesgaden, dessen knapp 2.500 m hohe Gipfel schon fast hochalpin wirken.
Bei Obersalzberg mündet das Sträßchen auf die B319, von der wenige Meter später die Roßfeld-Panoramastraße abbiegt. Da will ich hin.
Die Roßfeld-Panoramastraße ist eine Mautstraße. Zu Beginn eine Schranke, daneben ein Ticket-Automat. 5 Euro soll die Fahrt kosten, das nehme ich gerne in Kauf. Vor der Absperrung stecke ich mein Ticket in den Automat – und tatsächlich öffnet sich die Motorradschranke.
Bereits direkt nach der Schranke kommt die erste Kehre. Es ist kaum Verkehr, die Straße gut.
Die Straße führt über unzählige Kurven auf etwa 1.600 Meter über dem Meeresspiegel. Der Blick reicht nach Osten auf das Salzachtal mit Salzburg, den Salzburger Alpen, dem Dachstein und dem toten Gebirge auf der einen Seite und nach Westen auf die Berchtesgadener Alpen mit Watzmann, Hochkalter und Reiteralpe. Und so wie es sich für die höchste Panoramastraße Deutschlands gehört liegt auf dem Pass Ende Mai noch eine Menge Schnee. Glücklicherweise nur neben der Straße.
Auch die Abfahrt zurück Richtung Berchtesgaden ist kurvig, spektakulär und gut zu fahren.
Wieder in Berchtesgaden angekommen ist die Nadel in der Tankanzeige bereits jenseits der Reserve (eine Spezialität der VFR – nach Reserve und “Null” kommen noch etwa 40 km. Aber nur für gute Nerven). Berchtesgaden ist eine weltbekannte Stadt, da ist tanken kein Problem. Ihr ahnt es bereits: denkste. Am Königssee war eine Tankstelle, da dachte ich noch: direkt am Touristen-Parkplatz, bestimmt teuer, da tanke ich nicht. Und jetzt ist die Nadel unter Null. Ich fahre kreuz und quer durch Berchtesgaden, ohne Erfolg. Immerhin habe ich jetzt das Meiste der Stadt gesehen.
Erst weit nach Bischoffswiesen, nach Winkl erbarmt sich eine Zapfsäule meiner Nerven. Alles gut gegangen. Merke: nächstes Mal tanken wenn eine Tankstelle kommt. Und nicht wenn die Nadel am Anschlag hängt.
Hier endet die Tour. Irgendein Motorradfahrer aus meiner Ein-Mann-Reisegruppe hat sich für den Abend in München zum Grillen verabredet. Rein rechnerisch ist das nur noch auf der direkten, schnellsten Verbindung zu schaffen. Und die heißt A8 und ist nicht der Rede wert.
Freitag, Brückentag. Das Wetter so mittelmäßig. Statt der geplanten Tour ins Berchtesgadner-Land, wo es den ganzen Tag noch regnen soll, entscheide ich mich für den Zipfel Bayerns, in dem am wenigsten Regen angekündigt ist: den Nord/Nordosten.
Los geht’s in Freising, bei (noch?) bestem Wetter. Die grobe Fahrtrichtung geht erst einmal in Richtung Regensburg durch die Hallertau (auch Holledau genannt).
Diese ist bekannt als das größte zusammenhängende Hopfenanbaugebiet der Welt. Prost. Die Landschaft ist vielfältig, schön. Und auf dem Motorrad einigermaßen unspektakulär.
Und so geht es lange Zeit durch wunderbare Landschaft, garniert mit hübschen Schönwetterwolken. Jetzt noch eine Kurve, das wär’s.
Bei Regensburg wird es dann plötzlich interessanter. Nach Überquerung der Donau finde ich mich im Ort Donaustauf und wache auf (Wortspiel. Entschuldigung).
Eine Burgruine thront über der Stadt (mit dem Motorrad nicht zugänglich), die Salvatorkirche hängt wie hingeklebt an einem Hügel. Vor allem aber zieht die Walhalla alle Blicke und alle Touristen auf sich.
Von König Ludwig dem ersten gebaut (von wem sonst), werden dort mit zig Marmorbüsten und Statuen bedeutende Persönlichkeiten “teutscher Zunge” geehrt. Gut dass Corona-bedingt zu ist. So bleibt der Blick von außen.
Weiter geht es durch den Forstmühler Forst, oder wie Mathematiker sagen würden: Forst*(mühler+1). Plötzlich gibt es Kurven und viel Spaß. Durch das Naturschutzgebiet “Hölle” (wusstet Ihr, dass die Hölle ein Naturschutzgebiet ist?) geht’s weiter nach Falkenstein.
Dort steht eine Burg. Natürlich zu, wie alles. Aber aus dem 10. Jahrhundert und mit einem durchaus interessanten Park außenrum. Der Schlosspark der Burg Falkenstein ist der zweitgrößte Felsenpark Bayerns. Bis eben wusste ich gar nicht, dass es Felsenparks gibt, darum ist der zweitgrößte für den Anfang mehr als genug. Aber Spaß beiseite, der Park ist wirklich gut. Verschlungene Wege führen durch Granitformationen.
An einigen Stellen sind die Wege so eng, dass der gewaltige aerodynamische Höcker meiner Lederkombi ein Durchkommen fast verhindert.
Weiter im Text.
Über wunderbar kurvige Sträßchen fahre ich über Straßing und Roding weiter bis Wetterfeld. Von außen gesehen ist das einer dieser Orte mit endlosen Neubaugebieten im bayerischen Wald. Mittendrin steht aber noch die alte Burg, zum Teil in das Ortsbild integriert.
Zu schnell darf man nicht durchfahren, sonst ist man auf der anderen Seite draußen bevor man sich umgesehen hat. Aber ein Drive-In-Burg, definitiv den Umweg wert.
Ich kurve noch einige Zeit durch den vorderen bayerischen Wald, getreu dem Motto: wird die Straße zu breit bieg links oder rechts ab. Strecke macht man damit keine. Spaß aber schon.
Als am Nachmittag das Gesäß dann irgendwann genug meldet fahre ich nach Deggendorf und von dort stupide über die Autobahn zurück nach München.
Es gibt ein Problem mit Corona-bedingtem Homeoffice. Und Homeoffice generell. Es entfällt die Anfahrt (meistens morgens, müde, schlecht gelaunt) und vor allem die Rückfahrt (abends, müde, schlecht gelaunt – aber mit der Chance auf einen Umweg). Ride to work – work to ride. Wenn ich ganz ehrlich sein soll ist von meinem Homeoffice-Arbeitsplatz ins Bett genau 40 cm. Da ist sogar der Weg zur Kaffeemaschine weiter.
Also muss man mutwillig raus. Zum Beispiel am Freitagnachmittag. Zum Beispiel ohne Plan und ohne Ziel.
Ein guter Weg aus München raus ist von meinem Homeoffice-Arbeitsplatz, am Bett vorbei (40 cm, Achtung: Gefahr hängen zu bleiben!), um die Kaffeemaschine rum (Achtung: Gefahr in Folge ständig anhalten zu müssen), auf die A95 bis keine Häuser mehr zu sehen sind.
Dann kommt kurz vor der Abzweigung nach Starnberg ein Parkplatz. Mit einer versteckten und sogar legalen Ausfahrt. Und schon ist man auf dem Land.
Kleine Straßen, wenig Verkehr. Und Landschaft. Immer wieder Landschaft. Das ist halt so im bayerischen Oberland. Man kann fast nicht wegschauen. Und schon sind da wieder verschneite Berge vor saftigen Wiesen und so weiter.
Übrigens: Berge, so im Ausland, wären auch mal wieder nett. Aber geht eben gerade nicht. Also weiter im Oberland.
In der Nähe von Raisting reihen sich in Bergpanorama, grüne Wiesen und katholische Kapellen eine Reihe eigenartiger weiterer Sehenswürdigkeiten ein: die Erdfunkstelle Raisting.
Eine der ersten kommerziell betriebenen Satelitten-Bodenstationen Deutschlands. Wie außerirdische stehen die zahlreichen Parabolantennen in der Landschaft in der Nähe des Ortes Raisting.
Die erste große Antenne, die “Radom” war bei meinem letzten Besuch in einer großen, kugelförmigen Traglufthalle versteckt, wo sie normalerweise auch hingehört. Der Sturm “Bianca” hat im Februar 2020 die Hülle zerstört, weshalb die Antenne derzeit freisteht.
Die Radom übertrug damals die erste Mondlandung, die olympischen Spiele 1972 in München und war angeblich Teil der Leitung des “roten Telefons” im kalten Krieg. Heute steht sie nackig da. Die Bautafeln verkünden aber den Wiederaufbau der Halle und die Wiedereröffnung des Museums für Ende 2021. Bis dahin ist das Industriedenkmal schon allein von außen sehenswert.
So langsam wird’s kalt. Also Jacke an, Navi auf Heimat, und zurück über eher breite Straßen nach München.
Die Kaffeemaschine ist noch an. Und das Bett so nah. Ich sag nur Homeoffice.
*) ist ein Karfreitags-Kreuzweg mit dem Motorrad eine Kreuzfahrt? Mehr dazu weiter unten…
“Ab Mittag scheint die Sonne” – sagte die Wetterapp. Mehr auch dazu weiter unten. Leider erst ganz unten…
Ich habe alles drunter gezogen, was unter die Lederkombi passt. 10 Grad sind zwar nicht nichts, aber auf Dauer auch nicht viel. Und die Montur hält – für die ersten beiden Stunden. Ich starte in München, vorbei an der Messe, Entschuldigung: heutzutage eher Impfzentrum, winke kurz den Glücklichen, die bald wieder am echten Leben teilhaben dürfen. Unsereins fährt eben weiterhin Motorrad, alleine unter dem Helm, da kann nichts passieren. Wenn man nicht gerade an der falschen Stelle Pause macht. Gell, Herr Kettenritzel.CC?
Es dauert ein Weilchen, bis ich die Stadt hinter mir lasse. Hinter Zorneding werden die Straßen kleiner. Von der B304 abzweigend beginnen kleine, oft einspurige Straßen durch den Wald und über Felder. Hinter Buch taucht die Straße steil und kurvig in einen Landschaftseinschnitt, einen Bach mit Fischzucht am Ende. Kurze Zeit später fahre ich die Stichstraße zu “Maria Altenburg”, einer Wallfahrtskirche in der Nähe von Moosach hinauf.
Den Weg entlang ist ein Kreuzweg in alten Stein / Betonstehlen dargestellt, wie passend für den heutigen Feiertag.
An der Wallfahrtskirche ist entsprechend Betrieb, drum fahre ich gleich weiter. Die Strecke zwischen Moosach und Glonn ist gesperrt – beim zweiten Hinsehen glücklicherweise erst nach Einbruch der Dunkelheit – um die Kröten bei der Wanderung zu schützen.
Der Himmel wird immer grauer, und die Luft immer kälter. Langsam wird’s unangenehm. Ich überlege umzudrehen. Und erinnere mich an ein weiteres Kleidungsstück im Tankrucksack: einen alten, mehr löchrigen als ganzen Regenkombi. Aber mehr ist wieder einmal mehr. Also ran mit dem Ding.
So geht’s. Und das ist gut so. Die schönsten Straßen der Strecke kommen nämlich erst. Über Glonn und Percha geht’s weiter nach Feldkirchen. In der Nähe von Weyern kreuze ich die A8 und fahre weiter nach Süden. Es klart langsam auf. Die Berge kommen in Sichtweite. Immer noch Schnee-bedeckt, dank Reisebeschränkungen derzeit aber sowieso großenteils unerreichbar. Orte und Landschaften sind jetzt das typische Bilderbuch-Voralpenland.
Es ist Oberbayern, das katholische Oberbayern, das an jeder Ecke an den heutigen Karfreitag denken lässt…
Die Tour führt mich weiter auf bekanntem Terrain. Um Schäftlarn herum scheint dann wirklich die Sonne, wie vorhergesagt. Das Isartal bietet schließlich runter und rauf noch ein paar fahrenswerte Kurven,
bevor ich dann nach Kloster Schäflarn zurück auf die Zielgerade in Richtung München komme.
Wie kalt es war, bemerkt man erst unter der warmen Dusche. Es dauert ein paar Minuten bevor alles wieder auf Betriebstemperatur ist.
Pfingsmontag. Nix vor. Also noch kurz raus auf eine kleine Runde durch’s Münchner Umland. Da spricht die Frau: ich komm mit. Exzellent! Das ist ja wie ganz früher!
Ziel heute ist das Franziskanerkloster Reutberg bzw. eher seine Klosterbrauerei samt Wirtschaft. Die “kurvige Route” bringt uns aber erst einmal durch kleine Sträßchen im Münchner Süden. Auch eine Form seine Stadt kennenzulernen.
Hinter Pullach und Grünwald wird es dann aber tatsächlich ländlich, kurviger und der Verkehr weniger. In Straßlach zweigen wir von der Staatsstraße ab und nehmen zunehmend kleinere Sträßchen. Eulenschwang, Sonnenham, Attenham. Klingt oberbayrisch. Und würde man ohne Zweirad wohl nie finden. Hinter Dietramszell biegen wir auf kleine Straßen durch Wälder ab, auf die wir uns erst vor ein paar Wochen mit der Vierraddose verirrt hatten und damals schon eine gedankliche Notiz machten: unbedingt mal mit dem Motorrad hinfahren. Jetzt erinnere ich mich wieder.
Funfact am Rande: welches andere deutsche Wort schafft es zwischen den silben doppelte Konsonanten zu haben? VieR-RaD-Dose. Ich liebe es.
Wir nähern uns dem Reutberg von Süden. Ein eigentlich ganz prominentes Kloster auf dem Berg. Erst einmal Kultur. Von innen ist die Kirche winzig. Ein inverses Raumwunder. Massiv von außen, Kapelle von innen.
Jetzt Biergarten. Leider hatten die Idee noch andere. Dank Corona stehen die anderen schon an. Lange. So bleibt es bei der Kultur.
Also zurück. Erst etwas Staatsstraße, dann links weg, wieder auf einspurigen Wegen durch den Wald. Wunderbar.
Die letzten Kilometer nehmen wir auf der Bahn. Die Nachbarn kommen zum Grillen. Also muss ich einheizen. Leider ist aber Tempolimit 120 km/h.
Die Idee war eine Tour in den bayerischen Wald zu machen. Nun ist der von München ein Stück weg. Dank Corona-Beschränkungen auch nicht mit einer Übernachtung zu machen. Zwar überlege ich im Rahmen der legalen Möglichkeiten wild zu campen, am Ende wird es aber der bayerische Wald in einem Tag. Und dafür braucht’s ein Reisemotorrad.
Denn die Anfahrt ist schon lang. 150km von München, permanent über die Autobahn bis Deggendorf. Erst dann wird es interessant.
Der Stadtkern von Deggendorf ist eigentlich ganz schön, überhaupt nicht verkehrsberuhigt, so dass ich mit dem Motorrad bis auf den Marktplatz komme. Jetzt das Navi programmieren und schon geht’s los.
Über Rusel geht es – natürlich wieder über Umleitungen – nach Regen, wo es glücklicherweise weiterhin trocken ist. Von dort aus geht es über die Glasstraße an Orten, die schon sehr nach Glas klingen, vorbei: Zwiesel, Spiegelau, Riedelhütte, Glashütte. Alles Orte, die sehr bemüht die Tradition pflegen, aber dank Industrieglas aus aller Welt offensichtlich ihren Höhepunkt hinter sich haben.
Immer noch auf dem Höhepunkt ist aber die wunderschön hügelige Landschaft mit ihren schmalen Sträßchen.
Immer wieder sind es eher ausladende Bundesstraßen mit langezogenen Kurven, dann wieder viele einspurige Straßen mit engen Twisties, auf denen entgegenkommende Traktoren – und davon gibt es einige – durchaus mal die ganze Breite brauchen. Und mehr.
In der östlichen Schleife des Tourenachters werden die Dörfer noch kleiner. Umso überraschender taucht in Mitterfirmiansreut plötzlich ein Skigebiet auf. Nicht ganz hochalpin, es geht los auf 1000 Höhenmeter. Aber mit Liften und allem was dazu gehört. Und Ausblicken in die benachbarten Täler.
Im Annathal werden die Straßen weiter kurvig,
danach kommen aber einige Kilometer auf Bundes- und breiten Staatsstraßen. Es sind bereits ein paar hundert Kilometer auf dem Tacho, da sind langweilige Straßen eher kontraproduktiv.
Da kommt fast unerwartet der wohl schönste Teil der Tour,
Von Kirchberg über Sölden (!!) zurück nach Regen schlängelt sich die Tour wie ein letzter Pickel auf der Straßenkarte. Wunderbar kleine Straßen durch Wälder und Felder. Wunderbar.
Dann ist die Tour eigentlich vorbei. Nur ich noch nicht zuhause. Zurück nach Deggendorf, dass sich an diesem Freitagabend ordentlich Berufsverkehr gönnt, und 150 km zurück über A92 und A9. Am Ende tun mir so die Kräten weh, dass ich bei Landshut nochmals absteigen muss. Zuhause dann aber ein Espresso und schon sind die zähen Kilometer Rückfahrt vergessen.
Die BMW R 1250RS ist nicht der durchgeknallte Retro-Racer, wie es die R nineT Racer im vergangenen Jahr war. Sehr schnell wird klar, hier kann man gemütlich Strecke machen, mit allen Annehmlichkeiten von Navi über Griffheizung bis Fahrerlebnis-Modis.
Aber alles der Reihe nach:
Der Sonntag beginnt mit Starkregen in München. Sollte das doch nicht die erste Tour mit dem neuen Mopped werden? Glücklicherweise hört der Regen um 1 auf. Um 2 bin ich unterwegs.
Es wird eine Tour durch den Münchner Nordosten, von Erding herum um Taufkirchen. Nichts Spektakuläres, keine Alpenpässe. Aber viele enge und kurvige Straßen und nicht viel Verkehr.
Bis Wartenberg ist die Tour eine Flucht aus der Stadt. Ortsschild – Tempo 60 – Ortsschild – Tempo 60 – und so weiter. Danach wird’s schöner. Zwischen Wartenberg und Schachtelberg folgt der erste Höhepunkt. Eine schmale Straße, wunderbar kurvig. Irgendwie klar, dass zur Halbzeit die Sperrung mit Umleitung folgt. Aber bis dahin – wunderbar.
Weiter geht’s im leichten bergauf/bergab an Höfen vorbei und durch kleine Dörfer hindurch. Fast städtisch – und zwar hübsch – ist Velden mit einer schönen Ortsdurchfahrt.
Und so schlängelt sich die Tour dahin, bis zurück zum Ausgangspunkt. Erst da merke ich, dass das Motorrad wohl noch UTC-Zeit im Auslieferzustand hat. Es zeigt eine Stunde früher als die meisten Kirchturmuhren entlang der Strecke – und da gibt es einige.
Also geht’s mit hoher Geschwindigkeit zurück nach München über die A92 und A9. Und, soviel sei verraten, auch Geschwindigkeit kann die R 1250RS. Ohne große Aufregung.
Die Neue 1250RS hat etwas (für mich) Neues. “Connected Ride” – das ist eine App mit allerhand, unter anderem einem Navi, dass GPX-Uploads ermöglicht. Das Handy wird per Bluetooth an das Mopped gekoppelt, dazu die Freisprecheinrichtung am Helm. Und schon erfolgt die Navigation entlang der zuvor heruntergeladenen Route mit Pfeilansicht im Cockpit und Stimme im Helm. Genial!
Insgesamt ist Motorradfahren eine sehr Corona-konforme Aktivität. Kein Massensport. Keine Ansteckungsgefahr.
Und eine Konzentration auf das Wesentliche. Ohne Verschwörungstheorien, Hektik, Angst und all den Scheiß.
Touren durch Deutschland, durch Oberbayern. Vielleicht wird mich das in der Krise retten?
Wenn Du Motorradfahren MUSST. Oder Dir zumindest keine Ausrede einfallen lassen MUSST.
Nächste Woche ist der Termin für die Erstinspektion. Vor langer Zeit vereinbart, weil um diese Jahreszeit schwer zu bekommen. Und dann dieses Wetter. Unter 600 km braucht keiner zur Erstinspektion. 230 km sind auf der Uhr. Der Mathematik-begabte Sohn rechnet: es fehlen 285,3 km. Ich rechne nach: es sind 370. Meterstab und Straßenkarte raus: es wird das Chiemgau.
100 km auf der A8 geradeaus nach Bernau, dort runter von der Bahn und den kleinen Straßen nach Süden folgend. Zugegeben überrascht bin ich von dem nach kurzem auftauchenden Grenzübergang nach Österreich. Die Straßen werden aber passend schmal und die Berge werden wieder weiß. Dieses Jahr ist einfach noch Ende Mai Winter.
Kurz vor Sebi, bevor es auf die stärker befahrene B172 geht, wird es das erste Mal richtig kurvig.
Die R nineT ist noch reichlich ungewohnt, und so trage ich das gute Stück mehr um die Kurve als dass sie liegt.
Der südlichste Punkt der Tour ist schließlich St. Johann. Danach wird es straßentechnisch eher kleinteilig. Winzige Wege, nichts für hohe Geschwindigkeiten, aber dennoch reichlich Fahrspaß bringen mich wieder nach Norden. Und so taucht der Chiemsee im flachen Land viel schneller auf als erwartet.
Am See entlang gibt es viele schöne Ausblicke auf Wasser, dahinter Berge, darauf immer noch Schnee.
Kurz bevor es zurückgeht brauchen Mensch und Maschine nochmals Treibstoff. Während der Racer echt immer noch mit Esso zufrieden ist braucht der Fahrer ordentlichen Espresso. Und eher aus Versehen gibt es diesen im http://pura.restaurant/ (geile URL, muss man denen lassen).
Die zwei Jungs an der Kaffeemaschine kriegen sich gar nicht mehr ein ob des tollen Motorrads. Ob ich die selber aufgebaut habe (äh, leider nein). Und ob ich ihren Spezel kenne, der auch (?) BMWs umbaut. Und schon suchen sie Bilder raus und beschließen, dass es auch im Chiemgau ordentliche Custom-Bike-Bauer gibt. Darüber später vielleicht mehr. Ach ja, und Cafe können die auch.
Von Bernau aus geht es zurück auf der Bahn. Und der obligatorische Regen kommt auch noch.
Was soll’s. In der heimischen Tiefgarage angekommen ist das Ziel erreicht, sogar leicht überboten: am Mittwoch geht’s mit 608 km zum Kundendienst. Nennt mich Overachiever.
Saisonstart. In den Bergen liegt noch Schnee, das weiß ich, da war ich gestern. Also bleiben wir erst einmal im Flachland. Da gibt es noch ein Ziel, das ich schon lange vor mir her schiebe: das Geisterdorf Thomasbach mit Kirche und Bauernhof irgendwo in Niederbayern.
Es ist ein wunderschöner Morgen. Wie im April eben noch etwas kalt und feucht, aber mit jeder Minute gewinnt die Sonne an Kraft. Und in der aufgehenden Sonne ergeben sich auf dem Weg in den Münchener Osten ein Panorama nach dem anderen.
Da ich aber versprochen habe zum zweiten Frühstück zurück zu sein spare ich mir die meisten Fotos. Es sollten noch genügend folgen.
Zwischen Schlüpfing und Exing (kein Witz) liegt von der Straße aus gut sichtbar die Kirche und der Bauernhof Thomasbach. Die letzten Meter gehen zwar durch die Wiese, aber selbst mit einem Sporttourer sind Kirche und Bauernhof gut zu erreichen.
Kirche und Bauernhof stehen offen und sind gut zugänglich. Die Kirche ist viel größer als gedacht. Und tatsächlich seit längerem verlassen.
Ein paar Teelichter im Inneren zeigen, dass wohl gelegentlich ein paar Jugendliche die Ruhe nutzen. Aber heute bin ich der einzige Besucher hier.
Der Altar steht noch im Altarraum, auch die alte, hölzerne Empore ist noch in Takt. Es zieht durch die teilweise offenen Fenster. Ein schöner Ort.
Ein paar hundert Meter weiter steht der verlassene Bauernhof.
Auch hier stehen alle Türen auf, ein alter Herd und die Reste eines Bettes stehen bzw. liegen in den Räumen, von deren Wänden schon lange der Putz blättert.
Eine Fülle von Fotomotiven ergeben sich aus der alten, zerfallenen Kulisse in Kombination mit dem blauen Himmel und der erwachenden Natur. Über eine Stunde verbringe ich an diesem Ort. Dann wird es langsam aber sicher Zeit für eine Rückkehr. Denn ein spätes zweites Frühstück nach 13:00 ist schon ganz schön spät.
Ach ja. Die Tour an sich? Schöne Nebenstraßen, mal kurvig, mal sehr gerade. Nicht spektakulär. Aber gut für den Saisonstart. Und in diesem Fall ist tatsächlich einmal das Ziel der Weg. Oder so.
Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen
Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.